Usbekistan - Im Land der Minibusse und Goldzähne

Baku, Aqtau, Nukus, Moynak, Khiva, Bukhara, Samarkand, Margilon

Es poltert an die Kabinentür. 2 Uhr morgens. Es poltert auch bei den Nachbarn. „Kasachstan finish!“ schreit die Schiffsfrau, als sie wieder an die Tür poltert. Dieses Mal öffnet sie rigoros die Tür, stellt das Licht an und schreit nochmals „finish“. Wir verstehen, dass wir am Ziel abgekommen sind - unsere Körper hingegen wollen einfach nur weiter schlafen. Wir sind doch gerade erst ins Bett gegangen?! Auf dieser Schiffsüberfahrt über das Kaspische Meer begegnen wir wieder vielen Bierbäuchen und LKW-Fahrer-Händen. Doch am Hafen waren nebst unserem 5er-Grüppli von Weltreisenden noch einige andere Reisende gestrandet, die einen mussten sogar mit Zelt am Hafen übernachten. So amüsieren wir uns mit Würfel-und Zeichnungsspielen und jensten Reise-Anektoden. Jim und Matteo, zwei junge Franzosen, reisen mit ihrem Velo um die Welt und wollen bewusst an ihre Grenzen kommen. Sie erzählen von Nächten mit Wolfsbegegnungen und Blitzeinschlägen. Sam, ein Engländer, reist bereits 3 Jahre mit seinem Velo durch die Welt, hat an Händen und Beinen sonnengebräunte zebra-artige Streifen und ist mit seinem englischen Humor ganz auf der Wellenlänge unseres wieder geborenen 5er-Grüpplis. Wir stehen auf, ziehen die Bettlaken wieder ab und müssen noch einmal den eher widerlichen Anblick der sogenannten „Matratze“ und des verschwitzten und verdreckten Kissens anschauen. Irgendwie ist es doch nicht so schlimm, dass wir das Schiff bereits verlassen müssen. Was wir noch nicht ahnen: nun beginnt der Anfang der Warte-Zeit. Langwirige Checks und ewiges Warten bereiten uns auf die neuen Reisesituationen in den Stan-Ländern vor. Mit Englisch ist nicht zu dealen, wir müssen uns ans Büffeln von Russisch-Wörtern machen. Auf der Uniform der Zollbeamten steht ihre Blutgruppe. Sie setzen sich in eine Schiffskabine und öffnen ihre kompakten Computer, die aussehen, als wären sie vor 40 Jahren modern gewesen. Wer jetzt an die Reihe kommt, ist unklar. Sind es jetzt die mit dem Auto oder Velo oder Lastwagen oder doch einfach die Vehikel-freien Touris? Das englische Paar wird gerufen und wieder zurückgeschickt, bis sie es aufgeben und sich einfach auch auf den Boden setzen und wieder mit uns warten, bis etwas passiert. Während der eine Zollbeamte eine ernste Miene zieht, hört der andere seine Musik auf voller Lautstärke des Natels und schickt gleichzeitig seiner Geliebten Herzchen, bevor er im Takt der Musik den Pass und das Registrationszettelchen abstempelt. Wir checken alle, ob wir die willkürlich gegebenen Stempel auch wirklich haben und marschieren raus - äh nein - warten nochmals unten im Schiffsbug bei den Lastwagen. Wieso auch immer. Es ist heiss. Und stickig. Erst um 7 Uhr morgens betreten wir das Hafengebäude an Land. Obwohl das Gepäck schon gecheckt wurde, heisst es jetzt, wir sollen nochmals rauskommen. Der Polizeihund scheint schon mehr als bereit für seine Aufgabe zu sein. Angespannt und aufgeregt tigert er umher. Der Zöllner ruft ihn zu sich und befiehlt uns, die Rucksäcke in einer Reihe auf den Boden zu legen und einen Schritt zurück zu treten. Dann gibt er dem Hund das Kommando und dieser rennt zwischen den Gepäckstücken hindurch. Bei Silvio’s Plastiksack schnüffelt er lange. Bis wir dem Mann klar machen, dass sich darin Essen befindet. Nach einer gefühlten weiteren Minute ruft er den Hund zu sich und sagt, alles sei gut. Wir dürfen dann sogar den Hund streicheln, was dieser absolut geniesst! In diesem modernen Hafengebäude, das von China gesponsert wurde, scheiden sich die Wege zwischen der Touristen-Gruppe. Nummern werden ausgetauscht, müde Augen freuen sich auf Schlaf im Zelt oder Hostel. Wir füllen den Van des englischen Paares mit unserem Gepäck und unseren müden Körpern und sie nehmen uns mit nach Aqtau, der nächstgrösseren Stadt noch in Kasachstan. Wir freuen uns, dass wir im Reiseführer ein gutes Hostel gefunden haben, doch bei Ankunft stimmt nichts mit der Beschreibung überein. Die Räume sind bestimmt nicht „freshly renovated“ sondern in einem absolut schlechten Zustand, es scheint schon ewig nicht mehr geputzt geworden zu sein und wirkt eher wie ein besetztes Haus als wie ein Hostel. Wegen wenigen und nur viel zu teuren Alternativen, bleiben wir doch da und richten es uns so „gemütlich“ wie möglich ein, zum Glück hat Perrine ätherische Öle dabei, die wenigstens dem Gestank etwas die Stirn bieten. Hungrig finden wir in der rechtwinklig gebauten, etwas kargen Stadt ein Restaurant, indem wir herzlich bedient werden und froh sind, dass uns nicht die saure Kamelmilch angeboten wird. Wir laden das englische Paar auf Kaffee ein und ziehen nachher zu fünft Richtung Strand. Ah, wie schön - Meer, Weite und Ruhe. Wir stossen an auf die kommenden gemeinsame Reisezeit in Zentralasien. Gleichzeitig posieren ungefähr dreissig Frauen in pinken, kitschigen Kleidchen vor der Meeressicht. Wir beobachten sie neugierig und nehmen langsam die Eindrücke dieses Landes wahr. Die erhofften Ausflugsmöglichkeiten am nächsten Tag können wir nach mehrmaligen Aushandeln doch nicht machen, entweder weil es zwei Autos braucht, zeitlich zu spät ist, zu viel Benzin braucht oder zu teuer ist. Wir sind nun in einem immens grossen Land, die Distanzen sind riesig, die Hitze unerträglich und einige Regeln klar einzuhalten. Die Polizei kontrolliere ständig, meint der Einheimische, der uns hilft, etwas zu organisieren aber eigentlich trotzdem selbst darauf aus ist, etwas zu verdienen.

Wir entscheiden uns, die Energie und das Geld für den Ausflug an den Aralsee zu behalten. Wir wollen das Ticket für den Zug nach Usbekistan organisieren, was eher zu einer Odysee wird und entscheiden uns dann, erst am nächsten Morgen unser Glück am 15 Km entfernten Bahnhof zu probieren. Das Gepäck wird wie am Flughafen kontrolliert, gedrängelt wird schlimmer als in Lateinamerika und als er Zug anhält, stürzen sich alle mit ihren riesen Säcken und Esswaren in den Zug. Der Gang ist eng, die Menschen haben heiss und kommen mit ihrer Körpermasse, geräucherten Fischen und Samosas kaum aneinander vorbei - da gilt nur eines: drücken! Wir mit unseren Rucksäcken kommen genauso schlecht an allem vorbei und sind bei dieser Hitze nassgebadet, als wir endlich unsere Plätze finden. Es ist schon reges Treiben im Zug, die Menschen sind schnell installiert, laufen mit Teekrug zum Schaffner und bereiten auf dem Zugtischchen ein grosses Essgelage zu. Der Zug fährt ganz schweizerisch pünktlich ab und langsam kehrt Ruhe ein. Es sind Zugwaggons mit offenen Couchettes, die Kasachen und Usbeken sprechen angenehm leise und geniessen ihren Chai-Tee. Die Frauen tragen farbige, lange Röcke und haben oft ein Kopftuch lose umwickelt. Die Kinder turnen herum und beschäftigen sich selbst, quetschen sich zu Mami oder Papi aufs Zugbett. Es ist eine friedliche Stimmung. Draussen ist es karg und eintönig, vereinzelt tauchen Felsformationen auf. Wir schwitzen. Alle schwitzen.

Kurz entflammt ein Streit wegen einem Sitzplatz, die unteren Betten scheinen jedoch für alle zugänglich zu sein. So wundern wir uns nicht mehr, als sich plötzlich für kurze Zeit ein fremdes Füdli auf unser Bett gesellt. Wir essen, kriegen Tee und Snacks geschenkt, würfeln, plaudern, sticken und dösen. Wir freunden uns mit wenigen russischen Wörtern und Zeichensprache mit den Einheimischen an. Die Frauen scheint vor allem meine Stickerei zu interessieren und neugierig starren sie auf den Stoff. Wir erfahren, dass diese eine Frauengruppe in Kasachstan arbeitet und in Usbekistan wohnt - wir sind auf einer 30 Stunden Zugfahrt. Madonna mia, ob die dort so viel besser verdienen, dass sich diese lange Reise lohnt? Gerade im Moment wo wir uns langsam so richtig heimisch fühlen, kommt der Waggonchef und macht uns verständlich, dass wir beim nächsten Halt rausmüssen und auf den nächsten Zug um 3 Uhr morgens umsteigen sollen. Wir schauen auf die Uhr. Es ist erst 19 Uhr. Oh nein, es heisst wieder: warten! Was nachher geschieht, strapaziert all unsere Nerven und wir verstehen die Welt nicht mehr. Als einzige Gruppe mussten wir raus, um dann zu erfahren, dass wir 8 Stunden später wieder in den gleichen Zug, aber einen anderen Waggon steigen können. Dieser stehe im Moment ein Kilometer weit entfernt. Alex, der am besten etwas Russisch kann, verhandelt mit verschiedenen Menschen und wir werden immer abgewiesen. Wir wollen nur bereits in unseren Waggon und nicht bis 3 Uhr morgens im eher dunklen Bahnhof uns mit Betrunkenen rumtreiben. Wie die Französinnen so gut sagen „Bref“, kurz gesagt, es wird eine Odysse von leeren Versprechungen und einem riesigen, für uns sehr unlogischen Hin&Her. Schockiert über den Mann, der uns alle unverständlicherweise angeschrien hatte, essen wir erst um Mitternacht mit gebücktem Rücken in den oberen Betten unseres vorherigen Waggons, schlafen kurz und werden bald wieder geweckt, um doch nochmals von 2 bis 3 Uhr morgens draussen auf dem Gehsteig zu warten. Seit dem neuen Waggon sind wir noch eine Klasse tiefer gesunken und es gibt keine dünnen Matratzen und Kissen mehr. Die schmalen Zugbetten sind hart, staubig und vom Material her bei dieser Hitze sehr schweissfördernd. Kakerlaken krabbeln umher. Eklig, aber wir sind froh sind es keine Bettwanzen! Nach weiteren zwei Stunden werden wir von Zollbeamten, die ihr Englisch mit „Was ist dein Hobby?“ kundgeben wollen erneut geweckt. Der eine sitzt zu uns hin und wir sind uns nicht sicher, ob seine eher willkürlichen und persönlichen Fragen zum offiziellen Grenzverhör oder nur seinem Interesse dienen. Als er dann noch Perrine anbaggert, ist alles klar. Wieder streift ein Polizeihund durch den Zugwaggon und danach können wir uns endlich nochmals in Ruhe hinlegen. Viele ältere Frauen reisen mit Kindern, wir wundern uns, ob es die Mutter oder Grossmutter ist, da sie hier oft viele Kinder haben und meist viel älter aussehen, als sie eigentlich sind. Usbekistan weist im Unterschied zu den Nachbarstaaten die grösste Population in Zentralasien auf und ist wirtschaftlich und politisch am unabhängigsten. Im jedoch totalitären Staat gibt es keine Pressefreiheit und die Menschen scheinen sich aus Angst sehr regelkonform zu verhalten. Diesen staatlichen Druck und die Kontrolle erkennen wir bald selbst, als wir im ersten Kaffee nach der 30h-Zugfahrt ein kühles Bier geniessen wollen. Mit Karte kann nirgends bezahlt werden, der nächste Bankomat ist drei Kilometer entfernt und wohl bereits geschlossen, da sich die Automaten in den Bankgebäuden befinden. Zudem seien die meisten funktionsunfähig und am Wochenende sowieso geschlossen. Je nach Karte braucht man zu einer bestimmten Bank zu gehen, aber ja nicht über Mittag, denn da haben sie drei Stunden Pause. Und es können nur Dollar abgehoben werden, die dann zu Schalteröffnungszeiten in Sum gewechselt werden müssen. Die Inflation ist klar ersichtlich, denn ein Dollar ist 10‘000 Sum wert. Nach längerem Verhandeln und Telefon können wir zum Glück zu einem miserablen Wechselkurs mit Euro bezahlen und im Hostel von dem netten Sohn etwas Bargeld fürs Abendessen ausleihen. Puh, nochmals Glück gehabt! Nach einer Dusche und feinen Silvio-Pasta sinken wir alle in einen langen Tiefschlaf.

Wir sind in Nukus, bekannt für das Savitsky Museum mit einer grossen Sammlung von post/- sovietischen Gemälden, die von Savitsky glücklicherweise gesammelt, teilweise versteckt und während der Soviet-Ära deshalb nicht zerstört wurden. Das Museum hat fast so viele Angestellte wie Gemälde, die einem müde und gelangweilt beobachten. Obwohl es international sehr bekannt ist und einer der grössten asiatischen Sammlungen aufweist, sind wir fast die einzigen im Museum und staunen über verschiedene farbenfrohe Öl-Gemälde. Leider finden wir wenig Informationen und können nur spekulieren. Im Café visavis geniessen wir ohne Stress Kuchen und endlich mal wieder einen Kaffee - wir haben die Mission Bargeld erledigt. Der Chai (übersetzt einfach Tee), der überall getrunken und in tiefen schönen Schalen serviert wird ist zwar auch sehr lecker, aber ein Kaffee zur Abwechslung heitert uns alle auf! Wir planen unseren Trip an den Aral-See und entscheiden uns unabhängig dort hin zu reisen - eine Tour wäre fast 300 Dollar pro Person. In einer übervollen Busfahrt (für einmal zum Glück in keinem der vielen Minibusse) bieten uns Einheimische ihre Plätze an und fragen woher wir sind. Die meisten freuen sich über Kontakt und sind neugierig, unser wenig Russisch und ihr wenig English lässt die Konversation leider meist schnell abflachen, dafür kriegen wir immer wieder ein Lachen, das ihre Goldzähne hervor blitzen lässt. In Moynak angekommen erkennen wir bereits die Katastrophe des Aral-Sees, auch Aral-Meer genannt. Die kleine Stadt zeigt viele Gebäude, die abgerissen und zertrümmert sind, ein altes noch hängendes Fisch-Zeichen erinnert an das einst florierende Moynak, das von der Fischerei lebte. Heute liegt die Stadt 200 Kilometer vom eigentlichen Aral-See entfernt. Die Katastrophe begann zur Soviet-Ära und liegt dem hohen Wasserverbrauch für die damals riesigen neu angepflanzten Baumwollfelder zugrunde. Perfid berechnet war sogar klar, dass aufgrund der Baumwoll-Monokultur in den sowieso bereits trockenen Feldern Usbekistans der Aral-See langsam aber sicher austrocknen wird. Und so geschah es - heute ist nur noch ein Bruchteil des Sees sichtbar, die Restfläche ausgetrocknet, absolut versalzt und unfruchtbar. Kamele und andere Wüstentiere starben, weil die umliegenden Gräser so versalzt sind. Eine kurze 10-minütige Dok über das Austrocknen des einst blauen Meeres in der Wüste könnt ihr hier anschauen: https://youtu.be/m-7bhmxSqfY

Die rostigen Schiffe im trockenen, salzigen Sand wirken uralt. Die Atmosphäre ist einzigartig, ein scharfer Wind fegt um die Schiffe. Die Sonne geht langsam unter. Ob die den See wieder retten können? Auf Seite Kasachstans besteht mehr Hoffnung. Aber vor unseren Augen sehen wir im Moment direkt menschen verursachte Natur-Zerstörung, die nicht einfach rückgängig gemacht werden kann.

Am nächsten Tag fahren wir über 3 Stunden zum noch vorhandenen Meer. Im 4x4 Auto schüttelt es uns durch und wir sind froh, kennen wir uns gegenseitig, als unsere Körper aneinander prallen. Die Sonne ist sehr stark, im Schatten zeigt es fast 40 Grad. Aber in der kargen Landschaft gibt es ausser im Auto natürlich keinen Schatten. Wir schwimmen im Aral-See, wie im Toten Meer schwimmt man ohne Bewegung direkt an der Oberfläche auf. Der Sand am Ufer ist matschig, schwarz und heiss. Der Ausflug war lang und mühsam, aber wir wollten alle mit eigenen Augen sehen, was noch übrig ist. Unterwegs begegneten wir Erdgas-Stationen, was nun eine neue Einnahmequelle der Aral-Region zu sein scheint. Beängstigend ist das extrem laute Geräusch der riesen Flamme von Restgas mitten in der Wüste und man wünscht niemandem, dort einen Job zu haben. Beeindruckt aber vor allem schockiert verlassen wir am nächsten Morgen Moynak, nachdem wir am Abend zuvor im einzigen Restaurant mit lauter Musik zur Unterhaltung der Einheimischen draussen getanzt haben. Kurz danach wurden wir von einer jungen Frau, die wohl fast als Einzige im Städtchen relativ gut Englisch sprach, zu ihr nach Hause eingeladen. Als wir die kleine Katze begeistert in den Händen hielten, meinte sie, wir könnten die Katze haben. Und auch die Ohrringe der Grossmutter, die Adèle und mir besonders gefielen, könnten wir haben. Wir wiesen dankend ab, genossen jedoch gerne im Haustürrahmen stehend einen Löffel ihres Nationalgerichts und verabschiedeten uns mit einem gemeinsamen Selfie-Foto, das die Tochter schoss. Die Kühe in ihrem kleinen Hinterhof muhten uns entgegen und waren wohl auch froh, dass es abends etwas kühler (ca. 34 Grad) wurde.

Khiva, Bukhara und Samarkand sind unsere nächsten gemeinsamen Destinationen und obwohl teilweise ziemlich touristisch und aktuell vor allem von deutschen und französischen Pensionär-Reisenden heimgesuchten Orten, staunen wir über die wunderschönen alten Moscheen, Mausoleen und ehemals Karavanen“hotels“. Es ist beeindruckend, was dazumals gebaut wurde, wie reich und farbenprächtig verziert die wunderschönen Gebäude sind. Wir tauchen ein in die Geschichte der damals beherrschten und eroberten Regionen von Timur und Chinggis Khan, von Zerstörungen und Wiederaufbauten mächtiger Gebäude.

In Khiva rennen Adèle und ich, die zwei Primarlehrerinnen, mit den kleinen Kindern aus dem überschaubaren Städtchen über und um den Kieshaufen und spielen mit dem einzigen gemeinsamen Wort „Shashlik“ so etwas wie Fangen. Shashlik gibt es an jeder Ecke zu essen, allgemein ist die usbekische Nahrung sehr fleischlastig und für Vegetarier kulinarisch ein schwieriges Reisepflaster. Nebst den beeindruckenden Gebäuden gibt es in den Strassen jenste Touri-Stände, was uns zwar nicht anmacht, jedoch die Vielfalt ihrer Handwerkskunst aufzeigt. Silvio und ich ziehen nach Samarkand weiter Richtung Osten nach Margilon, um diese Handwerkskunst direkt im Prozess zu bestaunen. Perrine geht direkt in die Hauptstadt und Adéle&Alex zieht es in den Süden Richtung Tadschikistan. Wer sein Französisch aufpolieren will, ihre Radiosendung im welschen Radiosender verfolgen: https://www.rts.ch/play/radio/a-labordage/audio/parole-de-globe-trotters?id=10506304

Seide - ein magischer Raupenfaden, der sich zu glänzenden Stoffen verarbeiten und schöne Kleider zaubern lässt. Es gibt verschiedene Erzählungen, wie das Geheimnis der Maulbeerbaum-Raupen nach Europa gelangt ist. Auf unserer Reise der Seidenstrasse entlang und für mich als Textilerin ist die Yodgorlik Seidenfabrik ein absolutes Highlight. Der English Guide erzählt uns detailliert, wie „gschnäderfrässig“ und sensibel die Seidenraupen sind. Vom Kokon zum Faden, vom Ikat Weben übers Teppichknüpfen bewundern wir alles live. Übrigens, nur bei der Bio-Seide (leider nur wenig Prozent des Weltmarkts ) werden die Seidenraupen nicht abgekocht und getötet, sondern frei gelassen. Mit ein paar Metern wunderschönem Ikat-Stoff schreite ich glücklich aus der Fabrik. Das in Asien bekannte Ikat Weben ist eines der höchsten Webkünste, schaut hier selbst, warum: https://youtu.be/B-IT9hIlYg8

Margilon liegt im schönen Fergana Valley, ist muslimisch geprägt und anscheinend eher konservativ. Uns fällt dies vor allem durch die Kleidung auf. Die authentische Atmosphäre wirkt entspannt, wir werden auf Chai eingeladen, haben ein wunderschönes Hostel mit Garten und werden überall mit „Hello Bye Bye“ angelacht. Die Menschen scheinen in diesem Gebiet offener und zufriedener. Viele sprechen usbekisch und kirgisisch, ein Teil dieses Tals liegt auch im heutigen Kirgistan. Die mobilen Schuhflicker begeistern uns und so flickt ein ruhiger, zufriedener Usbeke unsere Schuhe im Nu. Wir sind noch begeisterter, wollen ihn bezahlen, doch er lehnt vehement ab. Unsere Begeisterung seines geschickten Handwerks kombiniert mit ihrer Gastfreundschaft hat ihm wohl gereicht. Bei der Samsa-Frau gegenüber holen wir ein drittes Mal dieses leckeren Teigtaschen, sie schenkt uns noch Weitere dazu und strahlt uns mit ihren Goldzähnen an. Hätte ich alle Goldzähne im Laufe der Reise durch Usbekistan zusammen gezählt, so wäre ich wohl bei ein paar Kilo Gold. Wir müssen ein letztes Mal auf die Bank und werden diesmal schnell fündig, sind aber irritiert, dass wir den Bankcode laut sagen sprich dann auf ein Papier aufschreiben und in ein Schulheft unterschreiben müssen, um Geld zu kriegen. Es gibt nur Dollar und wechseln kann man nicht. Und wenn, dann würde es einen Tag dauern, denn so unauffällig und dreist drängeln wie die Usbeken können wir braven Schweizer_Innen bei Weitem nicht.

Wir packen unsere Rucksäcke, trinken nochmals eine leckeren Chai im Garten und bewundern ihre detailliert bearbeitete Holztür - was für eine tolle Handarbeit! Zwei schön geformte, farbige usbekische Teetässchen kommen in meinem Rucksack hoffentlich heil in der Schweiz an, sodass wir mit einem usbekischen Chai und Schneidersitz weitere Geschichten live erzählen können. Mittlerweile sind wir im bergigen Kirgistan und haben auch News aus Armenien: Loki geht es gut und sie geniesst es, bei der Hitze sich im Bächlein ihres neuen Gartens abzukühlen.

Paca Paca (tschüss auf Kirgisisch),
Bigna und Silvio

P.S.: Wenn ich mich gerne schnell in die Schweiz zurück gebeamt hätte, dann wäre es am 14.Juni zum Frauenstreik gewesen. Zum Glück hatten wir an diesem Tag Internet, um das Ganze von Weitem mitzuverfolgen 💪🏼.