Unterwegs
გაუმარჯოს (Hallo auf Georgisch)
Krrracks - das war nun wohl mindestens ein Ei, das einen Riss in die Schale gekriegt hat. Als die Frau mit Wollkappe und Fingerhandschuhen hinter dem Marktstand 6 Eier zügig in ein dünnes Plastiksäckli packt, denk ich noch kurz: wie werd ich das wohl am besten mit all den anderen Einkäufen heil zurück ins Hostel bringen? Tja, nun gibt es doch Rührei anstatt 3 Minuten Eier zum Frühstück. Im Hostel „das Nest“ in Budapest ist die Küche schon in Betrieb, einige schlürfen verschlafen einen Kaffee während andere bereits den Ofen eingeschaltet haben und ein Menü vorbereiten. Unser erstes Zuhause liegt in einem Dachstock mitten in einem 5stöckigen Haus im Zentrum von Budapest. Den Lift betritt man auf eigene Gefahr und hofft jedes Mal oben anzukommen, ohne dass er abstürzt. Sich darin zu kehren ist praktisch unmöglich, also gehts mit grossem Rucksack einfach wieder rückwärts so raus wie man sich hinein gequetscht hat. Wir hören die nächsten Tage mehr Spanisch als Ungarisch und vergessen manchmal, dass wir gar nicht in Lateinamerika sind, sondern uns im Herzen Budapests befinden. Am zweiten Tag testen wir eines der berühmt berüchtigen Bäder, wir besuchen das Kleinste, gebaut im Jahre 1570 und noch immer funktionstüchtig. Renoviert wurde wohl nicht viel und es wird rege von Einheimischen besucht, wir befinden uns zwischen ungarischen Studenten und Seniorinnen im heissen Dampfbad und gönnen uns eine kurze Massage.
Budapest hat auch sonst einiges zu bieten und wir entdecken die Stadt fast nur zu Fuss. Nach einer Woche Budapest entscheiden wir uns, direkt den Nachtzug nach Bukarest zu nehmen und kommen nach geschlagenen 15 Stunden im normalen Viererabteil in Bukarest an. Die etwas chaotischere und kreativere Stadt gefällt uns noch besser und wir unterhalten uns auch im Hostel mit der Männer-Gruppe aus Nepal, die im Hostel wohnt und morgens bis abends immer mit Knoblauch leckere Gerichte zaubert, prima! Hmhm und dieses brezelartige Gebäck, das es an jeder Ecke zu kaufen gibt, ist echt lecker! Auch die etwas andere „Cremsnit“ versüsst uns den Nachmittag und im Mittelalter-Keller essen wir einen Riesenteller Fleisch und Wurst mit Kartoffeln wie befehlt von Hand.
Constanta soll ein kulturelles Zentrum sein. Die Museen, die von aussen aussehen als wäre seit 10 Jahren niemand mehr eingetreten, scheinen trotz aktualisierten Öffnungszeiten jedoch nicht geöffnet zu sein. Der Ort scheint vor allem im Sommer bei Touristen beliebt zu sein, am Strand erstrecken sich Hotelanlagen bis zum Abwinken, nun wirkt es aber wie ausgestorben und würde man den herumliegenden Abfall einsammeln, würde es Wochen dauern. Wir haben eine private Bleibe samt rudimentärer Küche etwas ausserhalb des Zentrums gefunden.
Wir hätten nicht gedacht, so schnell am Schwarzen Meer anzukommen - und das alles auf den Schienen! Also geht es am ersten Morgen in Constanta auf zum Strand. Während eines längeren Spaziergangs dem Meer entlang merke ich immer wieder, wie mich ein Insektenstich am Fuss juckt. Komisch.
Am nächsten Morgen ist Silvio übersäht mit roten Stichen und nach Recherchen ahnen wir das Übelste: Bettwanzen! Einen geschlagenen Tag durchsuchen wir unser Gepäck nach diesen Insekten, die uns nun wie lauernde Raubtiere hinter Gebüschen vorkommen. Jedes Kleidungsstück wird inspiziert, umgekehrt, jede Naht umgeklappt - das Einzige Spannende daran ist für mich, dass ich nähtechnisch ein paar Entdeckungen mache. Als wir jedoch tatsächlich so eine 8mm grosse Bettwanze einer Naht entlang krabbeln sehen, wissen wir einerseits, dass wir Recht hatten. Andererseits fürchten wir nun, dass sie vielleicht bereits Eier in unser Gepäck gelegt haben. Weiter inspizieren wir alles, erklären der älteren Frau dieser Privatunterkunft mit Händen, Füssen und einem Gemisch aus Deutsch/Italienisch/Möchtegern-Rumänisch was passiert ist. Auch die tote Bettwanze beeindruckt sie zuerst nicht, bis sie ihren Nachbar, der etwas Deutsch spricht, holt und der uns mit einem bemitleidenden Gesicht anschaut, sich gleichzeitig vor dem Insekt nasenrümpfend ekelt und ständig entschuldigt.
Die nächsten Tage verbringen wir mit weiteren Recherchen, Inspektionen und die Bettwanzen-Wolke hängt 24h über unseren Köpfen. Mittlerweile sind wir in Bulgarien in Burgas angekommen und mit Hilfe eines netten Apothekers und bulgarischen Kammerjägers wissen wir dann bald: wir sind die Wanzen wohl los. Erst nach mehreren stichfreien Tagen können wir uns auch tatsächlich entspannen und geniessen den schönen Strand, ein Velosausflug an Salzseen und eine Ballettaufführung, die uns eher an eine Schulvorführung im Gemeindesaal erinnert.
Sozopol ist ähnlich ausgestorben wie Constanta und scheint auf Anhieb weder einen offenen Laden, noch ein offenes Restaurant zu haben. Wir befürchten, unseren Darvida/Schoggi-Notfall-Proviant aufessen zu müssen! Und doch: da ist ein kleiner Laden und ein Restaurant, wo wir jedoch Kuttel-Suppe erwischen, die uns beiden beinah den Magen umkehrt. Die nächsten Tage verbringen wir mit langen Meerspaziergängen, Cracker und Mikrowellen-Improvisationsznachts und viel Schlaf. Umso mehr freuen wir uns, dass wir Ende Woche auf die Fähre gehen. Ab 14 Uhr wird eingecheckt, die Fähre fährt jedoch erst am Samstagmorgen früh los. Jenste Lastwagen werden millimetergenau parkiert und angekettet. Die Receptionistin fragt uns mehrmals, ob wir wirklich nicht eine Privatkabine wollen (natürlich einiges teurer) und schaut vor allem mich als Frau an. Wir ahnen es und später wissen wir auch warum: die Schiffspassagiere sind alles Männer mit zünftigen Bäuchen, müden Augen und Alkohol gefüllten Körpern.
Wir landen mit John, einem ruhigen und netten Typen in der Kabine und fühlen uns auch in der gesamten Lastwagengruppe wohl, auch wenn es uns manchmal wie in einem Film vorkommt. Der rechts von mir verschlingt ein halbes Weissbrot, isst das grosse Stück Fleisch mit der Hand und der schräg visavis trinkt Raki zum Abendessen. Wir freunden uns mit ein paar Männern an, lernen ein paar Wörter Türkisch und verständingen uns vorallem mit Händen und Füssen. Es ist eine spezielle Stimmung auf dem Schiff. Alles in allem aber gemütlich, recht friedlich und irgendwie einzigartig: 3 Tage zusammen auf dem grossen Schiff auf eher kleinem Raum, scheint es vor allem darum zu gehen, die Zeit zwischen Mahlzeit zu Mahlzeit zu vertreiben. Jeder kennt sich, jeder hat seinen Tischplatz. Für die Lastwagenfahrer ist es eine Auszeit unter Freunden. Der weite Blick aufs Offene Meer und das leichte Schaukeln beruhigen und lassen einem träumen. Und so freuen wir uns auf unsere neuen Begegnungen und Entdeckungen ausserhalb Europas.
Auf bald!
Bigna & Silvio
P.S.: Wir sind nun definitiv auf Bettwanzen spezialisiert, wer Verdacht schöpft, melde sich umgehend bei uns: wir wissen wie weiter! (Es handelt sich definitiv nicht um hygienische Mängel, sie können auch im 5-Stern-Hotel lauern.)
Expertenbereich Nummer 2 ist Folgendes: suchst du nach dem Waschen ominöserweise eine Socke deines Sockenpaars, geh auf die Strasse und finde sie auf dem Trottoir wieder (ist echt so!;-)).